Publikationen
Jean Langlais
Leben und Werk des
Komponisten, Organisten und Pädagogen
(1907-1991)
Flor Peeters
Leben und Werk
(1903-1986)
Der
Bassbariton Clemens Morgenthaler veröffentlicht eine Lied-CD von Othmar
Schoeck und eine Buchbiografie des Komponisten Flor Peeters
Spezialist
für Nischenprodukte
von Fritz Jurmann
Clemens Morgenthaler – der Name allein klingt schon wie Musik. Dahinter
steht eine wohlbekannte, in Wertheim/Main geborene und an der
Musikhochschule Freiburg in Kirchenmusik und Gesang ausgebildete
Sängerpersönlichkeit, deren wohltimbrierter Bassbariton in den
Bereichen Oratorium, Lied und Oper und mit einem breit gefächerten
Repertoire vom Frühbarock bis zur Moderne im internationalen
Konzertbetrieb gefragt ist. Tourneen mit Fernseh- und Rundfunkaufnahmen
führten ihn durch viele Länder, zahlreiche Konzerte und Opern brachten
ihn mit renommierten Regisseuren, Dirigenten und Orchestern zusammen.
Seit zehn Jahren ist Morgenthaler in unserer Region verankert und
leitet als Pädagoge erfolgreich eine Sologesangsklasse am
Landeskonservatorium Feldkirch.
Als
Ergebnis seiner Forschertätigkeit hat Morgenthaler auch eine Reihe
musikwissenschaftlich dokumentierter Arbeiten vorzuweisen. Dazu zählen
CD-Einspielungen, die seltene Fundstücke seines Repertoires ans Licht
rücken wie eben für ein Album beim Label Querstand mit 38 „Frühen
Liedern“ des Schweizer Komponisten Othmar Schoeck (1886 – 1957),
gemeinsam mit dem Pianisten Bernhard Renzikowski. Zeitgleich
veröffentlichte der renommierte Schott-Verlag Morgenthalers fundierte
Buchbiografie über den belgischen Komponisten Flor Peeters (1903 –
1986).
Jurmann:
Herr Morgenthaler, bei Ihren letzten beiden Veröffentlichungen fällt
auf, dass es sich um Spezialthemen handelt, bei denen der
Durchschnitts-Musikhörer kaum die Namen der Komponisten kennt. Lieben
Sie Nischenprodukte abseits des großen Mainstream?
Morgenthaler:
Zunächst einmal fühle ich mich als Sänger und Gesangspädagoge natürlich
den großen und zu Recht bekannten Werken der Musik und der
Gesangsliteratur im besonderen verpflichtet. Es gibt aber darüber
hinaus immer noch hervorragende Musik von zu Unrecht wenig bekannten
Komponisten zu entdecken. Zudem muss die Bekanntheit oder gar
Popularität von Kunstwerken ja nicht immer zwingend mit deren
tatsächlicher Qualität kongruent sein. Nebenbei bemerkt ist die
hundertste Einspielung des Bach`schen Weihnachtsoratoriums oder der
Winterreise für die Allgemeinheit ja auch nicht wirklich von Relevanz,
geschweige denn künstlerisch erforderlich oder im Sinne einer
Repertoirevielfalt zwingend. Die Reproduktion des immer schon bekannten
kann letztlich zu kultureller Einförmigkeit und Verarmung führen und
wird der Vielfalt des Gesamtrepertoires in keiner Weise gerecht. Gerne
begebe ich mich bisweilen an die Ränder oder einsamen Inseln der
sogenannten klassischen Musikwelt, um dort versteckte Schätze zu
entdecken und zu heben und dann gleichsam aufzubereiten.
Jurmann:
Sprechen wir zunächst über die CD mit frühen Liedern von Othmar
Schoeck. Schoeck hat sich für seine Liedvertonungen bei den deutschen
Klassikern wie Goethe, Eichendorff oder Hesse bedient. Bei der Auswahl
seiner Texte war er sehr wählerisch?
Morgenthaler:
Schoeck braucht für seine Musik, die immer den charakteristischen Ton
eines Gedichtes trifft, unabdingbar eine starke Textvorlage als
Initialzündung zum kompositorischen Schaffensprozess. Die Aussagen
eines Gedichtes korrespondieren dabei mit seinem eigenen Lebensgefühl
und Weltbild, womit er einen Gleichklang von Dichtung und Musik
erreicht. Mit den „Klassikern“ verbindet ihn eine Sehnsucht nach dem
Dauerhaften, dem Wahren und Ewigen, was folglich Kompromisse in der
qualitativen Faktur der Textvorlagen ausschließt.
Jurmann: Die
musikalische Entwicklung des 20. Jahrhunderts hatte noch um 1930 kaum
Auswirkungen auf Schoecks Tonsprache, er blieb eisern in der Tradition
der Spätromantik verhaftet. Ist das der Grund dafür, dass vieles davon
heute vergessen ist, weil es altbacken klingt, oder ist gerade das der
besondere Reiz dieser Musik?
Morgenthaler: Begriffe
wie „zeitgemäß“ oder „altbacken“ beschreiben eigentlich keine wirklich
künstlerischen Qualitätskriterien, was ein kurzer Blick in die
Musikgeschichte eindrucksvoll belegt. Das alles überbietende Spätwerk
des großen Bach beispielsweise wirkte auf die meisten seiner
Zeitgenossen „altbacken“ und unmodern. Telemann etwa galt dagegen als
wesentlich „zeitgemäßer“ und moderner. Neben subjektiven, rational oft
nur schwer zu begründenden Repertoire-Vorlieben, erscheint mir
künstlerische Wahrhaftigkeit als entscheidendes Kriterium angemessen zu
sein. Große Kunstwerke entstehen zwar in einer ganz konkreten
Zeitepoche, weißen dann aber weit über dieselbe hinaus, unabhängig vom
zustimmenden oder ablehnenden Mehrheitsvotum der Menschen. Schoecks
Musik, niemals den billigen Effekt suchend und in weiten Teilen völlig
unbekannt, ist von unzweifelhaft herausragender Qualität und harrt
einer Wieder-bzw. Neuentdeckung.
Jurmann: Wo
sind die Einspielungen für diese CD entstanden?
Morgenthaler:
Die Aufnahmen entstanden im Festsaal des Vorarlberger
Landeskonservatoriums Feldkirch.
Jurmann:
Sie haben dieses Album Ihrem Lehrer, dem bekannten Schweizer Bariton
Kurt Widmer, zu seinem 80. Geburtstag am 28. Dezember in Verehrung
gewidmet. Was hat er Ihnen mitgegeben für Ihre spätere Karriere?
Morgenthaler:
Mein Lehrer Kurt Widmer und ebenso meine geschätzte Lehrerin Beata
Heuer-Christen, die beide in der Tradition der Schule
Martienssen-Lohmann stehen, vermittelten eine wirklich ganzheitliche
Gesangspädagogik, die sich dem konkreten Schüler verpflichtet weiß,
ohne eine bestimmte exklusive Methode zu favorisieren. Diesem Ansatz
der systematischen sängerisch-künstlerischen Arbeit, entsprechend der
individuellen stimmlichen Notwendigkeiten unter Beachtung der
Gesetzlichkeiten der (stimmlichen) Natur, fühle auch ich mich zutiefst
verpflichtet. Kurt Widmer war mehr als „nur“ ein Gesangslehrer. Ich
verdanke ihm in wesentlichen Teilen meine sängerisch-musikalische
Formung. Seine Art, den Beruf oder besser die Berufung des Sängers und
Gesangspädagogen zu leben, wurde mir zum Vorbild.
Jurmann:
Und das dürfte wohl auch die Basis bilden für Ihre Arbeit als Lehrer.
Aus Ihrer Klasse kommen bekannte Namen, die zum Teil selber
unterrichten. Macht Sie das stolz?
Morgenthaler:
Zunächst einmal sollen meine Studierenden selbst zu professionell
agierenden Sängerpersönlichkeiten heranreifen, um dann gegebenenfalls
auch als Pädagogen wirken zu können. Künstlerische Ambition und
pädagogischer Eros sollen dabei durchaus eine fruchtbare Liaison
eingehen. Ich bin froh und stolz, dass meine Schüler erfolgreich ihren
je eigenen Weg als Sängerinnen und Sänger oder Pädagogen gehen und der
Gesang ihr Leben sinnstiftend und beglückend mitprägt.
Jurmann:
Nun noch zu Ihrer Biografie über den Belgier Flor Peters. Mir kam der
Name erstmals unter, als ich in meinem Orgelstudium bei Günther Fetz
seine von der Gregorianik geprägten Orgelpräludien gespielt habe und
von der Klarheit seiner Musik begeistert war. Worin liegen für Sie die
Vorzüge seiner Kompositionen?
Morgenthaler:
Peeters verbindet in seinen Werken impressionistische
Klangsinnlichkeit, modale archaische Harmonik und polyphone
Satztechniken mit neobarocken Stilelementen. Er kreiert somit eine
überaus reizvolle Synthese aus französisch-symphonischem und
deutsch-neoklassizistischem Stil, abgeschmeckt mit einem Schuss
flämischer Volkslied-Folklore und damit einhergehender musikalischer
Verbindlichkeit und Zugewandtheit.
Jurmann:
Nachdem Ihr Werk die erste Biografie über diesen Musiker ist, mussten
Sie praktisch bei Null anfangen, um ein möglichst komplettes Bild zu
entwerfen. Wie geht man so etwas an?
Morgenthaler:
Anlässlich eines Meisterkurses in Löwen (Belgien) 2019, hatte ich die
Möglichkeit in diversen Bibliotheken Nachforschungen über Leben und
Werk von Flor Peeters anzustellen. Ich bin nach ausführlicher und
weitreichender Recherche somit im Besitz fast aller Werke von und über
Peeters und habe diese entsprechend ausgewertet.
Jurmann:
Haben Sie auch mit Zeitzeugen gesprochen, die den 1986 verstorbenen
Komponisten noch selber gekannt haben, damit Sie sich ein persönliches
Bild von ihm und seinem Leben machen konnten?
Morgenthaler: Ich
durfte mit der letzten lebenden Tochter Lieva (*1931) und einem Enkel
von Peeters, sowie seinem ehemaligen Studenten und Nachfolger an der
Kathedrale zu Mechelen ein Gespräch führen.
Jurmann:
Inwieweit hatte Corona Einfluss auf Ihr künstlerisches Leben?
Morgenthaler:
Ab März 2020 wurden praktisch alle Konzertengagements abgesagt. Dadurch
konnte ich mehr zu Hause sein als sonst und diese entschleunigte Zeit
anderweitig produktiv nutzen, was ich sehr genossen habe. Gleichwohl
freue ich mich auf ein Wiederaufblühen unserer reichen Musikkultur und
den damit verbundenen Konzerten und menschlichen Begegnungen.
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